Vom Hass zur Liebe – der kalligrafische Schuh

Ich kann es nicht ausstehen Schuhe zu kaufen. Es ist mühsam, es ist zeitaufwändig und es ist enttäuschend. Und am schlimmsten ist es, wenn man Schuhe kaufen muss. Um dem entgegenzuwirken habe ich in Vorausahnung, dass ich bald neue Schuhe brauchen würde, bereits in einigen Geschäften Ausschau nach Ersatz gehalten – ohne Ergebnis, außer, dass meine Unlust Schuhe zu kaufen noch größer wurde. Letztlich habe ich es dann so lange hinausgezögert, bis ich schließlich keine Wahl mehr hatte, als eine Kaufentscheidung treffen zu müssen. Denn meine alten Treter waren buchstäblich zerfallen.

Also (wieder) ab ins Schuhgeschäft – zum vierten Mal – und ich musste an diesem Tag eine Entscheidung treffen. Aus praktischen Gründen. Und da begann der Jammer. Die Schuhe, die mir gefielen waren nicht in der passenden Größe vorhanden. Langsam stieg mein Preisniveau, gleichzeitig sank mein Modegeschmack. Bei Runde drei durch das Geschäft hatte ich mittlerweile jegliche Vorstellungen aufgegeben und suchte nur noch das geringste Übel zum mittlerweile wieder dafür günstigsten Preis. Ich wollte dem Leiden ein Ende bereiten und nahm schließlich irgendein Paar um etwa 20 Euro. Hauptsache Schuhe, Hauptsache raus hier.

Langsam stieg mein Preisniveau, gleichzeitig sank mein Modegeschmack. Bei Runde drei durch das Geschäft hatte ich mittlerweile jegliche Vorstellungen aufgegeben.

Meine Verzweiflungswahl fiel auf eine Art dunkelblaue Voll-Plastik-Schuhe mit extrem hohen weißen Sohle der Marginal-Marke vty. Pseudo-Sport-Schuhe im derben Prolo-Look, 100 % Kunststoff, 0 % Wohlfühlfaktor. Wie ich eine solche Wahl treffen konnte ist mir rätselhaft, ähnlich rätselhaft wie man „vty“ ausspricht. Aber dennoch besser diese Schuhe als keine. Und immer noch besser, als ins nächste Geschäft zu gehen und den selben Höllentrip in der Hoffnung auf ein besseres Ergebnis nochmals zu riskieren.

Mehrere Monate ziehen ins Land, ich stumpfe danke meiner Fußgefängnisse ästhetisch ab und der Pragmatismus siegt. Doch in meinem Herzen ist der Hass auf diese Schuhe immer noch groß. Schließlich kam mir die rettende Idee. Mit einem Filzstift in der Hand und zu viel Zeit an der Hand ging es los. Die Außenkant der Sohlen wurde rundum beschrieben. Als Input dienten wahllose Textstellen aus den Liedern, die ich gerade höre. Buchstabe für Buchstabe machen mir die Schuhe auf einmal mehr Freude. Wort um Wort wird aus meinem Hass zu diesen Schuhen meine Liebe zur Schrift. Und schließlich verwandeln sich meine diese Vty billig-prolo-pseudo-Sprotschuhe in flotte Design-Unikate. Kalligrafie sei Dank! Warum habe ich das nicht schon früher gemacht?

Kalligrafisch beschrifteter Schuh

Kalligrafisch beschrifteter Schuh


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  1. Ich habe deine Zeilen nur überflogen, aber der Satz „Was ich vorher in Filmen für kitschig und banal hielt wurde…

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